SPRING/SUMMER 2022 // A NEW SEASON


Geboren aus der Sehnsucht nach unvergesslichen Rides auf unentdeckten Trails: Bis heute ist diese Neugierde und die Leidenschaft Kern der EVOC-DNA. Natürlich testen wir auf unseren Entdeckungsreisen die neuesten Produktentwicklungen, aber vor allem erleben wir frühzeitig neues Potenzial und wie man Bewährtes noch besser machen kann. Außerdem sammeln wir unterwegs Eindrücke und Ideen, die wir in den Produktdesigns und Farben unserer neuen Kollektionen zum Ausdruck bringen. 

Explore to Ride – Northern (T)Rails

"Skandinavien, Polarkreis, Island, Lofoten und co. - allein beim Gedanken daran frieren meine Zehen ab. Ich liebe Bike Abenteuer, aber angenehm warm sollen sie sein - am besten auf irgendwelche Inseln mit epischen Sonnenuntergängen."

Autor: Steffi Marth
Foto: Mattias Fredriksson

Als wir in Kiruna aus dem Flieger steigen und unsere Bike Taschen durch eine der kleinsten Empfangshallen der Welt rollen, fällt mir ein großes hellblaues Schild mit etwas Schnee- artigem und einem Halbkreis drauf auf. Ich trete näher: Ach schau an: der Polarkreis! Ich schiele genauer hin und mir fällt auf, dass Kiruna in Schwedisch Lappland weit darüber liegt. Hatte gar niemand erwähnt, dass wir für unser Zweirad Abenteuer in arktische Gefilde fahren. Zum Glück habe ich Frostbeule sogar für laue Sommerabende immer eine Daunenjacke dabei. Ob ich die wohl brauche?

Unsere fröhliche Reisegruppe bestehend aus Holger, Jan, Philipp und mir, fährt mit dem Auto etwas mehr als eine Stunde nach Norden, vorbei an einem unendlichen langen See namens Tometräsk, bis nach Björkliden. Wenige Kilometer weiter liegt Låktatjåkka, was in den kommenden Tagen noch eine Rolle spielen wird. Trotzdem werde ich mir dieses schwierige Wort erstmal nicht merken, denn hier prasseln so viele neue Eindrücke auf mich ein. Zum erstmal Mal in meinem Leben sind es aber keine Menschen, Trubel und Action, sondern der angenehme Anblick von nichts außer ziemlich eindrücklicher Natur.

Die Geschichte von Låktatjåkka, Björkliden und Umgebung begann, als Ende des 19. Jahrhunderts in der schwedischen Stadt Kiruna Eisenerz gefunden wurde. Zuvor war das Land zwischen Kiruna und der norwegischen Grenze völlig unberührt. Es gab keine Straßen und nur sehr wenige Menschen. Ende des 19. Jahrhunderts beschlossen die schwedische und die norwegische Regierung, gemeinsam eine Eisenbahn zwischen der Mine in Kiruna und dem ständig eisfreien Hafen in Narvik, Norwegen, zu bauen. Die „Ofotenbanen“ Railway Line wurde 1902 eröffnet und zu einem großen Wendepunkt für die Region.

Mehr als 100 Jahre später werden täglich 12 Güterzüge mit Tausenden Tonnen Eisenerz durch die Berge transportiert, um weltweit exportiert zu werden. Die Bahnstrecke ist die nördlichste elektrische Eisenbahn der Welt und eine der ältesten im Einsatz befindlichen Eisenbahnen, die noch Eisenerz transportieren.

Neben der Eisenbahn verläuft der 55 Kilometer lange Weg „Rallarvägen“ (auch Navvy Road genannt) zwischen dem schwedischen Abisko-Nationalpark und Narvik in Norwegen. Dieser Weg ist eine ehemalige Versorgungsstraße, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert von Pferdekutschen genutzt wurde, um Stein und Kies zu Arbeitern zu transportieren, die den letzten Abschnitt der Eisenbahn bauten.

Vor ungefähr 25 Jahren wurde aus dem Rallervägen ein Wander- und Radweg mit Schildern und Informationstafeln, die Touristen über die Geschichte auf dem Weg informieren. Es wäre übertrieben zu sagen, dass Mountainbiken hier oben eine große Sache ist, aber im Laufe der Zeit haben skandinavische Mountainbiker langsam erkannt, wie gut dieses Gebiet zum Trail fahren geeignet ist.

Rallarvägen ist die Hauptverkehrsader zum Radfahren in der Region, aber die Abstecher in die Berge sind das wahre Juwel und der Grund, warum unser Guide behauptet, dass diese Region das beste Mountainbiken in Skandinavien bietet. Und „Guide“ ist übrigens kein geringerer als der bekannte Outdoor Sport Fotograf und gebürtiger Schwede Mattias Fredriksson. 

Heute wohnt er in Kanada aber man merkt sofort dass sein Herz hier liegt, als wir ihn in der Abisko Mountain Lodge begrüßen. Ganz aufgeregt zeigt er uns auf einer Karte sofort, was wir die nächsten Tage so alles vorhaben. Da heißt es für uns nun wörtlich „warm anziehen“, denn Mattias entpuppt sich als echtes Duracell - Männchen mit schier unendlicher Energie.

Es ist Hochsommer und da wir so hoch im Norden sind, geht die Sonne hier nie ganz unter. Sie taucht nur hinter die Berge, was uns ungefähr 21 Stunden Tageslicht gibt. Diese langen Tage möchten wir voll ausnutzen und beginnen den ersten Tag auch gleich mit einer kleinen Tour noch vor dem Frühstück. Wir schauen uns erstmal rund um die Abisko Lodge um, wo wir schon nach wenigen Höhenmetern in die eindrucksvolle Landschaft von Seen und Wasserfällen eintauchen. Die aufgehende Sonne spiegelt sich im großen Tometräsk See, der übrigens der größte See Schwedens ist. Wir bekommen mächtig Lust auf mehr und so brechen wir nach dem typisch schwedischen Knäckebrot Frühstück zu unserer großen Tour in Richtung Låktatjåkka auf.

Låktatjåkka ist Schwedens höchstgelegene Berghütte. Sie wurde Ende der 1930er Jahre erbaut und liegt auf 1224 Metern über dem Meeresspiegel und. Kein Mensch weit und breit und wiir fühlen uns wie im Niemandsland als wir uns zunächst durch einen malerischen Birkenwald und dann immer kahler werdende Landschaft bis zum Schnee nach oben arbeiten. Nach ein paar anstrengenden Stunden und ca. 740 Höhenmetern erreichen wir die Hütte. Låktas berühmte Waffeln mit lokaler Moltebeermarmelade päppeln uns wieder auf, denn obwohl die Uhr schon 19 Uhr anzeigt, haben wir noch einen langen Weg vor uns. Die Abfahrt ist der absolute Knaller! Zunächst über Schneefelder, dann über saftige Wiesen mit flowigen Trails und felsigen Absätzen und um Steinformationen herum geht es immer in Richtung des großen Sees. Die ganze Abfahrt dauert geschätzte 2 Stunden mit einigen Foto Stopps und kommt uns endlos vor. Was für ein Tag! Gekrönt wird er noch mit einem exzellenten Essen in der Abisko Lodge vor dem schönsten Panorama Fenster, was ich je in einem Restaurant gesehen habe. 1:0 für Schwedisch Lappland, ich muss meinen Insel-Fetisch wohl mal überdenken!

40 Kilometer östlich von Björkliden liegt Riksgränsen - ein legendäres kleines Skigebiet mit 40 Einwohnern, zwei Hotels, ein paar Liften und einem Supermarkt. Im späten Frühjahr pulsiert an diesem Ort eine lebendige Skiszene mit einer internationalen Kundschaft. Der älteste Freeski-Wettbewerb der Welt - die Skandinavischen Freeski-Meisterschaften - findet hier seit Anfang der 90er Jahre jedes Jahr statt und bringen einige der besten Freeskier der Welt zusammen. Das Heliskiing im weiten Hinterland ist weltberühmt, ebenso wie die ewige Mitternachtssonne. Viele Fotografen, Filmemacher und Profisportler reisen von weit hierher, um sie zu erleben und einzufangen. Im Vergleich zum geschäftigen Frühling erscheint die Sommersaison hier eher wie ein der „Winterschlaf“ zur falschen Jahreszeit.

Früher war Riksgränsen der bekannteste Grenzbahnhof zwischen Schweden und Norwegen, wo die beiden Staaten jeweils ihre eigenen Lokomotiven vor die Züge koppelten. Wir erreichen die Niehku Mountain Villa, eine preisgekrönte Lodge direkt an der Grenze zu Norwegen. Niehku bedeutet „Traum“ in der nordsamischen Muttersprache und das ist dieses, in die Ruinen des alten Zug-Rundhauses eingebaute Luxushotel wirklich. Die kreisförmige Wand des Rundhauses verläuft durch Teile des neuen Gebäudes, was diesen Bau wirklich einzigartig macht. 

 Das Stein- und Holzgebäude ist ein architektonisches Meisterwerk und die Lage - mit Blick auf die Berge und den Vassijaure-See - ist einfach atemberaubend. Wir schlafen sprichwörtlich mitten in der Eisenbahn Geschichte dieses Ortes. Natürlich müssen wir von hier uns auch noch mal auf dem Rallervägen biken gehen und begeben uns auf unsere zweite größere Tour, der Geargevággi, was so viel bedeutet wie Steintal.
Das Tal führt bis nach Rissajaure (auf Sami) oder Trollsjön (auf Schwedisch) hinauf, dem klarsten See in Schweden. Insgesamt ist die Tour ungefähr 14 Kilometer lang mit ca. 370 Höhenmetern. Die normale Route vom Bahnhof Låktatjåkko zum See, ist eine der beliebtesten Wanderrouten Schwedens. Deshalb vertrauten wir dem Rat des Wanderführers, den etwas nördlicheren Weg der Einheimischen von Vassijaure, dem nördlichsten schwedischen Bahnhof, aus zu nehmen.

Die Route von Vassijaure steigt allmählich an und nutzt die Konturen der sanften Hügel, so dass wir größtenteils mit dem Fahrrad fahren können. Die beliebtere Route von Låktatjåkko ist nicht nur viel bevölkerter, sondern auch etwas zu steil und technisch, um hier mit dem Fahrrad zu fahren. Geargevággi ist ein Tal, dass von der letzten Eiszeit vor über 10.000 Jahren geprägt wurde und mit wunderschönen und teils gigantischen Felsformationen gefüllt ist, die über das ganze Tal verstreut sind. Es gibt üppige Wiesen voller Bergblumen, kleine Bäche und ein Flussdelta. Die Landschaft ist von einzigartiger Schönheit und man fühlt sich an die Täler im Hochgebirge der Alpen erinnert.
Zitat Mattias: „Ich habe das Privileg, zum Mountainbiken an viele fantastische Orte der Welt reisen zu dürfen, aber ich muss sagen, dass die Erfahrung, die ich mit Geargevággi gemacht habe, definitiv ganz oben auf der „Wow-Liste“ steht. Da ich selbst Schwede bin, bin ich vielleicht ein bisschen besonders stolz auf mein Heimatland, wenn ich Freunden aus anderen Ländern die schönen Orte zeige. Das Biken in Geargevággi ist definitiv ein Abenteuer und es gibt Teile auf der Strecke, die zu steil oder zu technisch sind, aber die gesamte Erfahrung dieser Tour, ist für mich die beste Definition des Mountainbikens.“

Ich hatte anfangs von der Kälte gesprochen, vor der ich so Angst hatte und man kann durchaus von einem rauen Klima sprechen, das hier auch im Hochsommer herrscht. Aber da wir auch kräftig Sport gemacht haben, war mir nicht kalt. Die rauen Wetterbedingungen verstärken das Gefühl von schöner Einsamkeit in unberührter Natur dazu noch. Dazu noch auf den historischen Spuren der alten Erzbahn unterwegs zu sein, gibt dem Ganzen ein wirklich spezielles, tiefergehendes Gefühl. Ich bin sehr dankbar für diese Abkühlung und die wahrlich erfrischenden Erfahrungen und kann eine Reise zu den „NORTHERN (T)RAILS“ tatsächlich jedem Abenteurer empfehlen!

Wie kommt man hierher?

Abisko, Björkliden und Riksgränsen liegen am 67. nördlichen Breitengrad, ca. 50 Kilometer nördlich des Polarkreises im schwedischen Lappland. Der nächstgelegene Flughafen ist Kiruna, 1,5 bis 2 Stunden mit dem Auto, Bus oder Zug entfernt. Man kann mit dem Zug direkt in eines dieser kleinen Dörfer fahren. Von Stockholm und Göteborg fahren Nachtzüge

Tourenvorschläge

1. Låktatåkka Hüttentour

Låkta West ist die empfohlene Route bis zur Berghütte Låktatjåkkastuggan, Schwedens höchstgelegener Hütte auf 1224 Metern Höhe. Es ist ein stetiger Anstieg von 740 Metern über 8 Kilometer. Der Weg folgt einem weiten Tal, man findet überall fließendes Wasser und es ist sehr grün und üppig. Die Abfahrt beträgt 10 Kilometer und fällt fast 800 Höhenmeter nach Björkliden ab. Weltklasse-Reiten! Probiere unbedingt die berühmten Waffeln in der Hütte!

Wir haben die Tour genau andersherum gemacht: https://www.komoot.de/tour/238048971

Länge: 2-2,5 Stunden rauf, 1,5-2 Stunden runter

Länge: 18 km, 740 Höhenmeter

2. Låktatjåkka-Abisko Tour

https://www.komoot.de/tour/239871817

Länge ca. 19 km, 370 Höhenmeter

Wo schlafen?

Björkliden – www.bjorkliden.com

Låktatjåkko Moutain Station – www.bjorkliden.com/en/travel-lodging/laktatjakko-mountain-lodge/

Riksgränsen: Niehku Mountain Villa – www.niehku.com

Wo essen?

Brasserie Fjällköket / Abisko Mountain Lodge.

Die Brasserie Fjällköket befindet sich in der Abisko Mountain Lodge in Abisko. Authentisches und traditionelles Essen mit lokalen Zutaten.

www.abiskomountainlodge.se

Die Bergstation Låktatjåkko verfügt über ein ausgezeichnetes Restaurant und die höchstgelegene Bar Schwedens. Genieße ein Abendessen im Familienstil mit traditionellen Gerichten als Spezialität.

Die Niehku Mountain Villa verfügt über ein erstklassiges Restaurant in der Lodge, in dem das kulinarische Erlebnis ebenso erstaunlich ist wie das Interieur und das Design des Ortes. Die ehemalige Maschinengrube dient heute als spektakulärer Weinkeller, der durch einen Plexiglasboden im Speisesaal sichtbar ist.

Lokale Spezialitäten aus den Bergen und dem Fjord werden von der ständig wechselnden Speisekarte serviert. Alles vorbereitet von dem jungen talentierten Chef Ragnar Martinsson, der derzeit einer der aufregendsten Chefs Schwedens ist.

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